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Interview mit Ottokar Lehrner über seinen Film „Schritt ins Licht“

Am 29. Januar 2017 zeigte die „Frühling“-Reihe mit Simone Thomalla als Dorfhelferin Katja Baumanns einen Abendfilm „Schritt ins Licht“ über Gehörlosen.

Die Dorfhelferin „wird auf dem Hof des gehörlosen Ehepaars Elisabeth und Hans Lohmeyer gebraucht, nachdem Elisabeth von einem Auto angefahren wurde.“ Die hörende Tochter Inga (Cordula Zielonka) ist für sie das Tor zur Welt. Bald erkennt die Dorfhelferin, dass Inga eine begnadete Sängerin ist, ihre Begabung aber vor ihren Eltern geheim hält. Katja will der jungen Frau helfen, zu ihrer Leidenschaft zu stehen.

Dieser Spielfilm ist auf Mediathek von ZDF noch für einen Monat bis zum 29. April 2017 verfügbar.

Alle Beteiligten im Film wurden von Hörenden gespielt. Mit dabei ist auch Ottokar Lehrner. Er spielte den sturen und mürrischen Vater. Auf der Webseite seiner Agentur steht es geschrieben, dass er die Deutsche Gebärdensprache neben Deutsch, Englisch und Französisch beherrscht. Der gebürtige Wiener arbeitet als Schauspieler für Film, Fernsehen und Theater und als Autor und Regisseur seiner literarischen Programme und Shows.

Vor zwanzig Jahren lernte er seine taube Frau Tabea Lehrer bei einer Tanzparty kennen. Seitdem sind beide sehr glücklich verheiratet, leben in Berlin und haben ein 10-jähriges Zwillingspaar. Für die hörenden Kinder ist das natürlich und normal, dass die Mama nicht hören kann und gebärdet, und dass der Papa hört. Sie wachsen mit zwei Sprachen und Kulturen auf.

Für den Taubenschlag spricht Jessica Feldmann mit ihm:

Interview mit Ottokar Lehrner

Taubenschlag: Du bist ja mit einer gehörlosen Frau verheiratet. Dadurch könntest du diese Rolle als ein Gehörloser authentischer spielen?

Lehrner: Die Gehörlosen-Welt ist zu meiner zweiten Welt geworden, mit der ich seit 20 Jahren nahezu täglich zu tun habe. Natürlich war das hilfreich. Vor allem was das Gefühl des Ausgegrenztseins betrifft. Das haben zwar andere Gruppen auch – jeder gehört zu irgendeiner Minderheit, irgendwo – aber bei Gehörlosen spielt das auf besondere Weise in den Alltag rein.

Hattest du den Eindruck, dass der Regisseur und Drehbuchautor sich gut für diesen Film vorbereiten haben?

Sie waren teilweise gut vorbereitet. Aber sie waren sehr offen, für alles was von außen an Rat oder Vorschlägen kam. Das Gebärdencoaching und die Fachberatung in der Vorbereitung und während des Drehs wurden sehr ernst genommen und respektiert. Es wurde nichts in den Film übernommen, was die Fachberatung von Gehörlosen nicht gut gefunden hat.

Kannst du verstehen, dass viele Gehörlosen oft enttäuscht sind, wenn die Hörende die Rollen der Gehörlosen spielen?

Ich habe gemerkt, dass einige Gehörlose das nicht gut finden. Vielen ist das nicht wichtig. Und viele haben das sehr begrüßt, dass ein Schauspieler so eine Rolle spielt, der zwar hört, aber dessen Leben sich seit 20 Jahren auch in der Gehörlosenwelt abspielt.

Man muß eines verstehen: Eine Rolle kann nicht danach besetzt werden, ob einer im echten Leben auch genau das ist, sondern danach, wie gut jemand eine Rolle schauspielerisch erfüllt. Die Gebärdensprache ist da nur ein Teil davon. Wer passt am besten auf die Rolle, wer spielt sie am Besten, die Situationen, Emotionen? Wer kann es im Rahmen der Dreharbeiten technisch am Besten umsetzen? Das wird in einem Casting herausgefunden. Manchmal ist das ein Gehörloser, manchmal nicht. Wenn ein Hörender so eine Rolle spielt und sie schlecht spielt, dann verstehe ich die Enttäuschung. Ein prinzipielles Ablehnen finde ich problematisch. Der hörende Schauspieler ist nicht taub und spielt einen Tauben. Das ist für mich als Schauspieler völlig normal. Ich spiele fast nur Rollen, die ich nicht bin: Russen, KZ-Häftlinge, Tennisprofis, einen polnischen Fürsten. Ich versuche das, was ich nicht bin, so gut wie möglich zu recherchieren, mich vorzubereiten und es dann zu spielen. Manchmal klappt es und ich bekomme die Rolle, manchmal nicht. So ist Schauspiel.

Hast du eventuell eine Idee, wie man die Chance von Gehörlosen verbessern kann, damit sie die Rolle als Gehörlosen bekommen können?

Indem sie, wie hörende Schauspieler, wie ich auch, eine mehrjährige Schauspielausbildung machen und 30 Jahre Praxis und Erfahrung in Film und auf der Bühne haben. Und wenn sie dann die Besten sind bei einem Casting unter 5, 10 oder 50 Schauspielern UND vom Typ perfekt auf die Rolle passen, dann werden sie die Rolle bekommen. Ich weiß vom Film „Frühling“, dass sie gehörlose Schauspieler gesucht haben, aber offenbar keinen gefunden haben, der passt und der die Rolle gut spielen kann.

Wie war dein erster Eindruck, als du die Gebärdensprache und gehörlosen Welt kennengelernt hast?

Exotisch, spannend, neu. Eine Herausforderung. Eine Bereicherung. Eine neue Ebene der Kommunikation, sinnlich, ganzkörperlich, poetisch, lustig, gefühlvoll.

Was bedeutet die Gebärdensprache und die Gehörlosenwelt für dich heute?

Das ist das Medium und die Welt der Frau, die ich seit 20 Jahren liebe und mit der ich mein ganzes Leben zusammen sein will. Es bedeutet mir sehr viel. Manchmal muss ich mir Mühe geben, werde aber im Gegenzug beschenkt mit etwas ganz Besonderem. Als Schauspieler hat sie mich weitergebracht, besser, transparenter, durchlässiger, physischer gemacht. Und ich meine damit nicht für Gehörlosen-Rollen, sondern überhaupt: Die Kommunikation ohne Lautsprache hat mich als Schauspieler positiv verändert, expressiver gemacht.

Was möchtest du noch etwas unseren Leserinnen und Leser sagen?

Ich versuche immer, außerhalb von Schubladen zu denken, zu handeln und zu leben. Nicht wer oder was jemand ist (Deutscher, Ausländer, gehörlos, hörend, schwul, hetero, alt, jung, dick, dünn, schön, häßlich…), sondern wie jemand ist, agiert, sich benimmt, ist für mich entscheidend, ob ich jemand mag oder an mich heranlasse. Alles andere führt zu Vorurteilen und Ausgrenzung. Wer ausgrenzt, grenzt sich selber aus.

Tags: Frühling, Ottokar Lehrner, Schauspieler, ZDF

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