Anna Cerncic (44 Jahre alt) lebt mit ihrem Lebensgefährten Oskar und den Kindern in Guntramsdorf in Österreich. Sie hat Lehramt Deutsch und Bildnerische Erziehung studiert und engagiert sich schon immer für die Gehörlosen. Sie hat vor 2 Jahren mit ihrer Freundin Marion Kovacs eine Firma „gebärdenraum libelle OG“ gegründet. Sie ist bei den Grünen Guntramsdorf aktiv, um zusammen mit der Vizebürgermeisterin ein barrierefreies Leben in Guntramsdorf Schritt für Schritt umzusetzen.
Sie ist als einzige Gehörlose in einer hörenden Familie aufgewachsen, ihre Kinder Stephanie (24), Johanna (17) und Niklas (12) sind auch hörend und so war die Überraschung groß, als ihr Enkelkind Finn letztes Jahr taub auf die Welt kam. Ihre Tochter Stephanie hat einen gehörlosen Mann Christoph (30) geheiratet, so wurde die Weitergabe vom Gehörlos-Gen verstärkt. Anna hat sich so sehr gefreut, dass sie ein gehörloses Kind in ihrer Welt willkommen heißen durfte.
Als Finn immer mehr gebärden könnte, wurde Anna immer mehr bewusst wie wichtig es ist, ein taubes Kind zu fördern und dessen Selbstbewusstsein zu stärken. Taube Kinder sind unser Zukunft. Sie sollen endlich nicht mehr stiefmütterlich behandelt werden. Anna sagte immer wieder unermüdlich, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Somit auch die Würde tauber Babys, Kinder und Erwachsener. Bis heute wird oft nur damit gespielt. Das muss ein Ende haben! Taube Menschen haben das Recht ohne Hörzwang und Fremdbestimmung glücklich zu leben. Denn der Mensch besteht nicht nur aus Ohren und die Intelligenz sitzt schon gar nicht in den Ohren. Man soll mit tauben Kindern gebärden, ihre Identität stärken, für bilinguale und bikulturelle Erziehung und Bildung kämpfen. Die Gebärdensprache gibt tauben Kindern Wurzeln und verleiht ihnen Flügeln.
Taube Kinder brauchen taube Vorbilder
Es ist wichtig, dass jedes taube Kind früh genug und immer wieder Vorbilder in seinem Leben trifft. Und immer wieder Geschichten von tauben Persönlichkeiten, wie leider schon verstorbenen Helden, zu erfahren und so zu einem selbstbewussten Menschen heranwachsen zu können. Es soll erfahren, dass man nicht hören muss um seine Ziele erreichen zu können.
Aus diesem Grund bekam Finn sein erstes „Deaf Gain“ Buch, in dem Bilder von ihm mit großartigen tauben Persönlichkeiten und deren Widmung verewigt werden. Dieses Buch wird dicker und lebendiger, Finn traf in seinem jungen Leben schon: Colin Allen, den Präsidenten von World Federation of the Deaf (WFD), Peter Cook, ein Schauspieler und Geschichtenerzähler aus Amerika, er traf in diesem Jahr auch den mehrfachen Weltmeister Philipp Steiner aus der Schweiz und den Vize vom ICSD Kang Chen aus Taiwan. Auch Calvin Young von Seek the World besuchte Finn und seine Freunde im gebärdenraum libelle. So viele Vorbilder hat Finn in seinem ersten Lebensjahr getroffen und die Reise in die Welt der Tauben geht weiter. Inzwischen hat er ein zweites Deaf Gain Buch.
Taube Kinder erreichen alles, wenn man sie lässt
Finn’s Familie fördert seine Bildung mit Gebärdensprache. Anna macht sich viel Gedanken, wie sie und ihre Familie ihn am besten fördern können. So war sie kreativ und hat ein Plakat mit dem Fingeralphabet und ein Memory handgezeichnet und dann digitalisieren lassen. Auf dem Memory ist immer ein Bild mit 2 Sprachen: dem Fingeralphabet und der Schriftsprache, das andere Bild hat eine Zeichnung. So lernen Kinder nicht nur das Fingeralphabet spielerisch, sondern auch das Lesen. Sie verkauft dieses Produkt, damit andere taube und hörende Kinder davon auch profitieren können. Finn’s Wortschatz wächst unaufhaltsam weiter, er kann Wörter gebärden, die andere Kinder in Lautsprache noch nicht sprechen können. Das ist ein großer Vorteil von der Gebärdensprache.
Anna betont zum Schluss: „Wenn wir mehr an uns glauben und stolz auf unsere Sprache und Kultur sind, dann können wir unseren Kindern und der nächsten Generation den Weg flacher machen. Ich weiß, dieser Weg ist steinig und schwer, aber ich gehe ihn mit ganzem Herzen, für Finn und für die Zukunft der nächsten tauben Generation. Geht ihn mit uns, zusammen sind wir stark!“