Der Jakobsweg ist der bekannteste Pilgerweg der Welt. Seit über 1000 Jahre wandern Pilgerer zum Grab des Apostels Jakobus in der spanischen Stadt Santiago de Compostela. Früher unternahmen vor allem Mönche Pilgerreisen, um die Leute zu missionieren. Im Mittelalter änderte sich dann die Bedeutung des Pilgerns, man begann, bestimmte Orte wie Rom, Jerusalem oder das Grab des heiligen Jakobus in Santiago de Compostela in Spanien aufzusuchen. Oft wurde eine Pilgerreise erst gegen Ende des Lebens unternommen, um sich von seinen Sünden zu reinigen und sich auf das Jenseits vorzubereiten. Anschließend traten die Pilgerer oft in ein Kloster ein, um ihre Reinheit zu bewahren. Heute ist Pilgern meist ganz von der Religion losgelöst und dient eher dem Zweck, zu sich selbst zu finden und mit sich ins Reine zu kommen. Immer mehre gehörlose Menschen pilgern nach Santiago de Compostela, darunter auch Stefanie Kirgis (37) aus NRW. Fanie hat ihr Erlebnis auf dem Jakobsweg über Facebook mit uns geteilt.
Der Weg aus dem Burn-out
Fanie erzählte, dass sie sich 1 Jahr mental und später auch körperlich auf den Jakobsweg vorbereitet hat. Sie arbeitet im sozialen Bereich mit gehörlosen, konnte Arbeit und Privates nur schwer voneinander trennen und vergaß sich selbst. So rutschte sie letztes Jahr in einen Burn out und ihr Chef sprach sie an, dass sie in Kur gehen soll. Sie begann sich Gedanken zu machen, welchen Weg sie als Ausweg aus dem Burn out gehen wollte. Eine Kur sei nichts für sie, denn da gibt es Regeln und jemand bestimmt über ihre Termine. Das wollte sie nicht. Sie wollte allein und einen selbstbestimmten den Weg gehen. Da fiel ihr der Jakobsweg ein. Je mehr sie darüber nachdachte, desto mehr Motivation hatte sie diesen Weg zu gehen und kam dank dieser Motivation auch mit Alltag und Arbeit besser klar.
So starte sie am 16.04.2017 in Saint-Jean-Pied-de-Port nach Santiago de Compostela. Auf dem Video gebärdet sie vorsichtig und unsicher: „Ich weiss nicht, ob ich diesen ganzen Weg schaffe?“ und winkte uns zum Abschied zu und ging den Weg. Die ersten Kilometer waren schwer und hart für sie. Sie schleppte zum ersten Mal einen richtig schweren Rucksack, der Weg war total steil und dann wieder bergauf. Sie quälte sich bis zu Ende der Etappe. Mit der Zeit wird es immer besser. Doch dann schmerzten ihre Beine und Füsse. Auf dem letzten Weg nach Zubiri (50km nach dem Start und 740km vor SdC) lief sie gefühlt wie eine Schnecke, eine Pilgerschnecke
Allein, aber nicht einsam
Am nächsten Tag biss sie die Zähne zusammen und lief weiter nach Pamplona, das 17 km entfernt lag. Doch 5km nach Zubiri schmerzten ihre Füsse so sehr. Sie lief immer langsamer, bis eine andere deutsche Pilgerin sie darauf ansprach. Beide sprachen darüber, woran das lag. Es lag wohl an den fehlenden Einlagen in den Schuhen. In einem Ort suchte sie nach einen Apotheke. Ein Bewohner meinte, es gibt nur in Zubiri oder Pamplona ein Apotheke. Fanie war verzweifelt und vertraute ihm ihr Problem an. So bot er ihr an, sie mit dem Auto nach Pamplona zu bringen. Sie war für diese Hilfe sehr dankbar, sie kam ab und zu in Kontakt mit anderen Pilgern. Sie war zwar nicht einsam, denn viele Menschen haben das gleiche Ziel wie sie und sie waren zusammen in einer Herberge. Aber ansonsten war sie meisten allein, was ihr ganz recht war, denn so konnte sie viel in Ruhe nachdenken.
In Pamplona kaufte sie alle Sachen, die sie für ihre Blase am Fuss brauchte. Nach einem Tag in einer deutschen Herberge, in dem sie sich ausruhte und auch ihr Fuss sich in einem kalten Fussbad erholen konnte, fühlte sie sich besser. Sie war total frustriert und traurig, dass ihr das gleich am Anfang des Weges passiert ist. Dank vieler positiver Nachrichten von Lesern und Aufmunterungen ihrer Lebensgefährtin bekam sie wieder Mut. Sie fand den Fehler neben der fehlende Einlage: ihr viel zu schwerer Rucksack. Frauen sollten maximal einen 8 Kilo schweren Rucksack tragen und Männer maximal 10-11 Kilo. Sie packte einige unwichtige Sachen aus. Um diese Erfahrung reicher wandert sie am nächsten Tag weiter.
Reinigung des Geistes und Seele
Nach Pamplona führt der Jakobsweg über den Bergzug bei Alto del Perdón über den Sierra del Perdón (Der Berg der Läuterung). Läuterung bedeutet Reinigung des Geistes und Seele, die inneren Konflikte und verdrängte Emotionen werden ausgelebt und die negativen Emotionen werden reduziert. Auf dem Alto del Perdón steht eine Skulptur eines Pilgerzuges. Es zeigt die Pilgerer mit wehenden Klamotten, die gegen der Wind pilgerten. Sie wurde von der navarrischen Wasserkraft- und Windanlagengesellschaft gestiftet, da 40 gigantische Windräder „Wo sich der Sternenweg mit dem Weg des Windes kreuzt“ auf der Sierra del Perdón stehen. Fanie stand gerührt vor dieser Skulptur, denn sie hat eine große Bedeutung für sie und hat gemischte Gefühle bei ihr ausgelöst. Sie möchte sich mit ihren eigenen inneren Konflikten und verdrängte Emotionen auseinander setzen negative Emotionen auf dem Jakobsweg bis zum Ziel weiterhin ausladen. Gegenüber der Skupltur steht ein kleiner steinerner Schrein für die Jungfrau Maria. Der Legende nach wurde hier ein Pilger vom Teufel mit dem Versprechen verführt, ihm Wasser zu geben, wenn er über Jakobus und Gott lästere. Dieser widerstand natürlich der Versuchung und bekam später von Jakobus selbst Wasser gereicht.
Am nächsten Tag plagte sie in Villamajor de Monjardín (176 km nach Start und 614 km vor SdC) eine Erkältung. Denn wenn sie morgens loslief, war es noch sehr kühl, bei der Wanderung schwitzte sie aber und es wurde wärmer. Sie fand oft den falschen Zeitpunkt, um Jacke und Pullover auszuziehen und so erkältet man sich schnell. So entschied sie, einen Bus nach Los Arcos zu nehmen um ihre Gesundheit zu schonen. Bevor sie zur Busstadion ging, besuchte sie 3,5km entfernt ein Kloster. Direkt neben den Klostergebäuden befindet sich die Weinkellerei Bodegas Irache. An der Wand der Weinkellerei wurde ein „Weinbrunnen“ installiert, zwei über einem Becken angebrachte Hähne – ein Wasserhahn, einer für Rotwein–, an denen sich die Pilgerer kostenlos mit Trinkwasser oder einem Schluck Wein aus Irache stärken und erfrischen können. Fanie trank einen Schluck Wein, verinnerlichte deren Brauch und das stärkte sie vielleicht trotz Erkältung.
Am nächsten Tag hat sich ihre Gesundheit gebessert und sie pilgert hochmotiviert die nächste Etappe bis Logroño, die 28 km lang ist. Santiago de Compostela ist 602km entfernt. „Buen Comino“ grüßt sie die anderen Pilgerer, das wünscht man jedem Pilger, der in Spanien auf dem Weg pilgert und es bedeutet „guten Weg“.
Teil 2 folgt……