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Ein alter Brief in Gebärdenschrift

Im Jahre 1890 wurde ein Brief von einem Indianerreservat in Oklahoma an einen Schüler in einem Internat in Pennsylvania gesendet. Der Brief besteht aus Zeilen von Symbolen, unter denen einige handförmige Zeichnungen erkannt werden können.

Bild: Dickinson Research Center, National Cowboy & Western Heritage Museum

Die Lehrer an der Schule konnten den Inhalt des Briefes nicht verstehen, doch der Schüler, an den er geschickt worden war, Belo Cozad, konnte ihn verstehen. Cozad war Kiowa und konnte zu der Zeit weder Englisch schreiben noch sprechen.

Anthropologen an der Schule schickten eine Kopie des Briefes an das Bureau of American Ethnology an der Smithsonian Institution. Dort hat jemand später versucht, den Brief zu entschlüsseln, und reiste nach Oklahoma zum Kiowa-Reservat. Cozad wurde interviewt und gab Übersetzungen zum Inhalt des Briefes. Es handelte sich nämlich um Nachrichten über die Gesundheits- und Arbeitszustände seiner Verwandten sowie auch über Angelegenheiten der religiösen Praxis in dem Reservat.

Viele, jedoch nicht alle Kiowa konnten so schreiben und lesen. Cozad sagte, seine Eltern und Großeltern hatten ihm diese Schreibweise beigebracht. Die Anthropologen stellten fest, dass diese Schriftweise wahrscheinlich nicht sehr alt war, aber sie stammte nicht von der Kiowa Lautsprache, sondern von einer weit verbreiteten Gebärdensprache.

Vor der Invasion der Europäer hatten viele indigene Stämme Nordamerikas eine gemeinsame Gebärdensprache, die sie als Verkehrssprache verwendet haben, weil ihre Lautsprachen verschieden waren. Sie wurde auch von Gehörlosen verwendet, und auch in gewissen Riten. Diese Sprache heißt auf Englisch „Plains Sign Talk“ oder „Plains Indian Sign Language“ (PISL). Seit der Kolonisation hat die Anwendung dieser Sprache dramatisch abgenommen.

Die Symbole im Brief an Cozad sind nach Gebärden geformt worden. Als Beispiel: Ein Kreis mit vier darauffolgenden Schleifen soll „vier Brüder“ geheißen haben. Drei waagerechte Linien stellte die Zahl „3“ dar. Ein Rechteck, das mit senkrechten Linien gefüllt war, gefolgt von einer nach oben, nach unten und wieder nach oben kurvenden Linie erzählt, dass jemand begraben worden ist. Das alles soll heißen, dass einer von Cozads vier Brüdern gestorben war.

Heutzutage gibt es verschiedene Gebärdenschriften, die vor allem in der Linguistik Anwendung finden. Es gibt jedoch keinen Grund, warum man nicht auch heute Briefe in Gebärdenschriften schicken sollte!

Tags: Anthropologie, Gebärdenschrift, Oklahoma, Pennsylvania, Smithsonian Institution, USA

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1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort

  • Linde Kampf
    12. Januar 2019 17:37

    Das ist ja smashing!
    Ich möchte mit den Alphabethandzeichen schreiben, finde aber keine einzelnen Gebärden.
    Immer nur die ganze Liste. Ist da jemand, der mir weiterhelfen kann?
    Linde

    Antworten

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