Am 6. Juli 2005 wurde die Österreichische Gebärdensprache (ÖGS) durch eine Abstimmung im Nationalrat einstimmig als eigenständige Sprache in die Bundesverfassung aufgenommen.
Art. 8 Absatz 3 der Bundesverfassung lautet seither: (3) Die Österreichische Gebärdensprache ist als eigenständige Sprache anerkannt. Das Nähere bestimmen die Gesetze.
„Der ÖGLB fordert die Verankerung der Österreichischen Gebärdensprache als Unterrichtssprache und das Recht auf bilingualen Unterricht und Frühförderung. Gehörlose Menschen sind noch immer in der Bildung enorm benachteiligt.“
Helene Jarmer, Präsidentin des Österreichischen Gehörlosenbundes (ÖGLB)
Für Helene Jarmer, Präsidentin des Österreichischen Gehörlosenbundes (ÖGLB), ist der zweite Satz des Verfassungstextes noch immer nicht umgesetzt. „Ein gleichzeitig mit der Verfassungsänderung beschlossener Entschließungsantrag forderte die Bundesregierung auf, das Recht auf Gebärdensprache für gehörlose Menschen, insbesondere in den Bereichen Verwaltung, Bildung und Medien gesetzlich zu verankern. Das ist bis heute nicht passiert“, so Helene Jarmer, „es fehlen vor allem im Bildungsbereich dringend notwendige Gesetzesanpassungen“.
Gehörlose und schwerhörige SchülerInnen werden derzeit weder ausreichend, noch flächendeckend in der österreichischen Gebärdensprache unterrichtet und sie lernen in der Regel sehr wenig über die Gehörlosenkultur. Es mangelt an gebärdensprachkompetenten PädagogInnen und DolmetscherInnen, um bilingual unterrichten zu können.
„Der ÖGLB fordert die Verankerung der Österreichischen Gebärdensprache als Unterrichtssprache und das Recht auf bilingualen Unterricht und Frühförderung“, so Jarmer: „Gehörlose Menschen sind noch immer in der Bildung enorm benachteiligt.“
Auch in anderen Bereichen sind die fehlenden Sprachenrechte spürbar. Jarmer: „Derzeit sind rund 100 ausgebildete ÖGS-DolmetscherInnen tätig, der Bedarf wird jedoch auf zumindest 600 geschätzt.“
Viele Einrichtungen und Dienstleistungen des öffentlichen Lebens sind für gehörlose Menschen nicht oder unter erheblichem Mehraufwand verbunden und nur mit zahlreichen Einschränkungen nutzbar. Das verhindert ein selbstbestimmtes Leben. So sind Informationen im öffentlichen Raum oft nur rein akustisch verfügbar. „Sehr wichtig wäre es, endlich österreichweit einen barrierefreien Notruf einzurichten“, fordert Jarmer, „Österreich liegt hier hinter anderen Ländern zurück“.
Ebenso wären barrierefreie Wahlinformation und 100% Untertitelung der Informationssendungen im Fernsehen für die Partizipation von gehörlosen Menschen dringend nötig. Dies ist auch in Artikel 29 der UN-Behindertenrechtskonvention (Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben) verankert.
„Die Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache in der Verfassung ist ohne Zweifel ein großer Meilenstein in der Geschichte der österreichischen Gebärdensprachgemeinschaft“, so Helene Jarmer, „dennoch fehlt der politische Wille, endlich weitere notwendige Maßnahmen für echte Chancengleichheit zu setzen.“