Deutscher Gehörlosen-Bund e.V. hat am Donnerstag, 10. Oktober 2019 eine Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes für bessere und unabhängigere Prüfungen (MDK-Reformgesetz) und zur öffentlichen Anhörung zur Reform des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) am 14.10.2019 veröffentlicht.
In der ärztlich-medizinischen und psychotherapeutischen Versorgung bevorzugen Gehörlose, wie Hörende auch, die direkte und ungefilterte Kommunikation mit den Behandler*innen und dem Behandlungsteam. Die hierfür notwendige Gebärdensprachkompetenz des Personals ist in Deutschland bei nur sehr wenigen Diagnostik- und Behandlungsangeboten gegeben. So gibt es einzelne ambulant tätige Psychotherapeut*innen und im stationären Krankenhausbereich neben einzelnen rehabilitativ ausgerichteten Kliniken zwei psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlungszentren in Erlangen und Lengerich.
In Anbetracht dieses sehr geringen Angebots für Gehörlose sind sie in nahezu der gesamten ambulanten und stationären somatischen Versorgung, sowie in einem Großteil der ambulanten psychiatrisch-psychotherapeutischen und einem kleineren Anteil der stationären psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgung auf Gebärdensprachdolmetscher*innen angewiesen. Mittlerweile hat sich die Möglichkeit, im gesamten ambulanten Bereich Gebärdensprachdolmetscherhilfe mit unkomplizierter, direkter Kostenübernahme durch die Krankenkassen zu erhalten, als sehr effektiv und praktikabel erwiesen. Hierdurch erfahren Gehörlose mittlerweile eine ambulante Gesundheitsversorgung, die mit der von Hörenden vergleichbar ist. Dies hat den Rückmeldungen der Gehörlosen und unseren Beobachtungen zufolge den Gesundheitszustand der Gehörlosen in den zurückliegenden Jahren deutlich verbessert.
Demgegenüber bestehen jedoch im stationären Bereich – und hier vor allem im somatischen Bereich – immer noch erhebliche und untragbare Versorgungslücken für gehörlose Patient*innen! Zwar ist im Rahmen der Kostenkalkulation mit dem Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) über die Fallpauschalen theoretisch die Inanspruchnahme von Gebärdensprachdolmetscher*innen bei stationärer Leistungserbringung berücksichtigt, in der Praxis ist dies jedoch kaum umzusetzen: Immer wieder müssen Betroffene im Krankenhaus über diese Regelungen sowie die Bedeutung und ihren Bedarf an Gebärdensprachdolmetscher*innen informieren, dies rechtfertigen und regelrechte Kämpfe gegen Unverständnis und Untätigkeit austragen. Oftmals ist dies so nervenaufreibend, dass die Betroffenen vorzeitig aufgeben oder bereits ohne ausreichende Informationen zur Diagnose und notwendigen Behandlung aus der stationären Behandlung entlassen sind, bevor sich die Klinik zum Einsatz von Dolmetscher*innen durchringt. So sieht der Deutsche Gehörlosen-Bund e.V. immer wieder unzureichend informierte gehörlose Patient*innen, die notwendigen Behandlungen unverschuldet nicht wahrnehmen und infolge dieser Hilfs- und Kommunikationslosigkeit die so notwendigen Kontakte zum Gesundheitswesen vermeiden. Auch sind Fälle bekannt geworden, bei denen Kliniken betroffene Gehörlose gerade deshalb, weil Dolmetscher*innen erforderlich waren, zur elektiven Behandlung an andere Kliniken verwiesen haben. Selbst wenn die Rechtslage eindeutig ist, ist es im stationären somatischen Bereich für die zusätzlich durch Erkrankungen gehandicapten Gehörlosen nahezu unmöglich, ihre Rechte einzufordern und durchzusetzen.
In Anbetracht dieser untragbaren, z. T. unmenschlichen Situationen begrüßt es der Deutsche Gehörlosen-Bund ausdrücklich, dass mit dem Entwurf des Gesetzes für bessere und unabhängigere Prüfungen (MDK-Reformgesetz) eine diesbezügliche Änderung herbeigeführt werden soll. Demnach sollen laut Artikel 4 (Änderung des Krankenhausentgeltgesetzes) Nummer 1 (§ 2) die „…Leistungen von Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetschern bei der Krankenhausbehandlung von Menschen mit Hörbehinderung (…) nach § 17 Absatz 2 SGB I von den zuständigen Leistungsträgern (finanziert werden) (…), das heißt insbesondere von den Krankenkassen und den Unternehmen der privaten Krankenversicherung.“ In Bezug auf die Ausführungen zum Änderungsantrag 29 der Fraktionen der CDU/CSU und SPD hebt der Deutsche Gehörlosen-Bund e.V. ergänzend hervor, dass dies für sämtliche stationär-medizinischen Fachbereiche gelten sollte und zwar sowohl für stationäre somatische als auch für psychiatrische, psychotherapeutische und psychosomatische Behandlungen.
Ergänzend wird angemerkt, dass gerade die Bereiche der psychiatrischen, psychotherapeutischen und psychosomatischen Behandlungen sehr kommunikationsintensiv sind und der besonderen Berücksichtigung der sozialen und kulturellen Hintergründe sowie eines angemessenen Behandlungsmilieus bedürfen, damit effektive Behandlungen durchgeführt werden können. Diese Erfahrung bestätigt auch die Berechtigung der bestehenden gehörlosengerechten Behandlungszentren, die bei entsprechend ausgebildetem Personal die direkte gebärdensprachliche Kommunikation ebenso das notwendige, entsprechende Stationsmilieu anbieten. Finanziert wird die besondere fachliche Qualifikation und Ausstattung zurzeit über einen Aufschlag zu den Tagessätzen, der sich jedoch bislang nicht im künftigen PEPP (Pauschalierendes Entgeltsystem Psychiatrie und Psychosomatik) abbildet. Zwei bisher erfolgte und durch den Deutschen Gehörlosen-Bund unterstützte Anträge an das InEK im Rahmen der OPS (Operationen- und Prozedurenschlüssel) für eine Komplexbehandlungsziffer für Gehörlose, um diese von den Krankenkassen bisher anerkannten Behandlungsangebote sicherstellen zu können, fanden bislang keine Resonanz.
Deutscher Gehörlosen-Bund e.V. erbittet daher dringend Ihre Unterstützung:
- in Bezug auf das MDK-Reformgesetz dabei, dass künftig die Leistungen von Gebärdensprachdolmetscher*innen bei der Krankenhausbehandlung von Gehörlosen und Menschen mit Hörbehinderung ohne Ausnahme eines medizinischen Fachbereichs von den zuständigen Leistungsträgern finanziert werden.
- in Bezug auf das neue Entgeltsystem Psychiatrie und Psychosomatik dabei, dass die Anerkennung einer OPS-Ziffer zur Komplexbehandlung Gehörloser durch das InEK entsprechend den bisher vorliegenden Anträgen erfolgt.