Der Schweizerische Gehörlosenbund registrierte 2019 insgesamt 106 Fälle von Diskriminierungen und damit mehr als doppelt so viele wie noch 2017. Angesichts einer hohen Dunkelziffer machen die Zahlen deutlich, dass Gehörlose noch immer systematisch diskriminiert werden. Dies, obwohl der Schutz vor Diskriminierung von Menschen mit einer Behinderung in der Schweiz mehrfach gesetzlich verankert ist.
Der aktuelle Bericht des Schweizerischen Gehörlosenbundes zeigt ein erschütterndes Bild: Die Zahl der Diskriminierungen von Gehörlosen ist mit 106 Fällen nochmals deutlich gestiegen, nach 52 Fällen im Jahr 2017 und 76 Fällen im Jahr 2018. Der sprunghafte Anstieg der Meldungen lässt darauf schließen, dass die Dunkelziffer an nicht registrierten Fällen noch viel höher liegt und viele Gehörlose tagtäglich von Diskriminierungen betroffen sind.
„Obwohl die Schweizer Gesetze auch Gehörlosen die gleichen Rechte garantieren, sind wir in unserem Land noch meilenweit von der tatsächlichen Gleichstellung entfernt“, sagt der Geschäftsführer des Gehörlosenbundes, Dr. Harry Witzthum. „Im Jahr 2019 mussten wir pro Woche mehr als zwei Fälle von Diskriminierungen registrieren. Das ist umso störender, als neben der Bundesverfassung auch das Behindertengleichstellungsgesetz seit fast 20 Jahren diese Teilhabe garantieren würde.“
Im Jahr 2019 zeigte sich insbesondere ein beunruhigender Anstieg der Fälle in den Bereichen „Arbeit und Beschäftigung“ sowie „Gesundheit“. So verwehren die Krankenkassen und Spitäler Gehörlosen vielfach die Kostenübernahme einer gebärdendolmetschenden Person bei Therapien oder Besprechung mit Ärzt*innen. Im Bereich „Arbeit und Beschäftigung“ zeigt sich, dass die monatlich von der IV bezahlten Stunden von Gebärdendolmetscher*innen für Arbeitnehmende in den wenigsten Fällen ausreichen. Das führt zu zahlreichen Missverständnissen und verschiedentlich auch zur Auflösung von Arbeitsverhältnissen. Somit wird Gehörlosen ein selbstbestimmtes Leben verunmöglicht und sie werden verstärkt in die Arbeitslosigkeit gedrängt.
Doch der starke Anstieg der registrierten Diskriminierungsfälle zeigt auch etwas Positives: „Gehörlose nehmen die Diskriminierungen nicht mehr länger hin. Sie melden sich verstärkt bei uns und wehren sich!“, sagt Yalan Reber, Juristin beim Rechtsdienst des Gehörlosenbundes. Um solche Ungerechtigkeiten generell zu verhindern, sind nun Bund und Kantone gefordert; Sie müssen die bestehenden Gesetze auch tatsächlich umsetzen und Gehörlosen eine echte Gleichstellung gewährleisten, beispielsweise durch die Erhöhung der Dolmetscherstunden für die Arbeit.