Corinna Rüffer, behindertenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, hat eine Pressemitteilung über die Kleine Anfrage zu Integrationschancen behinderter Geflüchtete an die Bundesregierung veröffentlicht. Zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Integrationskurse für Menschen mit Behinderungen“ erklärte Rüffer:
Gehörlose, blinde oder andere Geflüchtete mit Sinnesbeeinträchtigungen haben schlechte Chancen, sich in Deutschland verständigen und hier heimisch werden zu können. Dennoch sieht sich die Bundesregierung nicht in der Verantwortung und sie interessiert sich für diese Menschen offensichtlich kaum. Anders ist die Antwort auf meine Kleine Anfrage zu diesem Thema nicht zu verstehen.
So ist das Integrationskursangebot für Geflüchtete mit Sinnesbeeinträchtigung absolut mau: Gerade einmal neun Bundesländer bieten Kurse für Gehörlose oder hörbeeinträchtigte Personen an. Kurse für blinde Personen existieren sogar nur in sieben Bundesländern. Eine Personengruppe ist bislang sogar völlig von Sprachförderangeboten ausgeschlossen: Geflüchtete mit kognitiven Beeinträchtigungen. Deshalb warten selbst diejenigen, die eine Berechtigung zur Teilnahme an einem Integrationskurs haben, teilweise monatelang oder gar vergebens auf einen entsprechenden Integrationskurs – stellte u.a. die Integrationsministerkonferenz letztes Jahr fest.
Angesichts dessen muten die Behauptungen der Bundesregierung, das Angebot an Kursen für diese Personengruppen sei flächendeckend (Antwort Frage 2) und es seien „keine Engpässe ersichtlich“ (Antwort Frage 8), ziemlich dreist an. Auch das Problem der weiten Anfahrtswege angesichts der wenigen Angebote, wischt die Bundesregierung einfach vom Tisch: Auf die Frage, welche Anfahrtswege noch zumutbar seien, antwortet sie nur ausweichend, dass die „speziellen Bedürfnisse der Teilnehmer*innen“ berücksichtigt würden (Antwort/Frage 25).
Wer Integration einfordert, sollte auch entsprechende Unterstützung anbieten. Doch das unterlässt die Bundesregierung systematisch. Sie beteuert zwar, sie sei „bemüht, auch benachteiligten Personengruppen Teilhabechancen zu ermöglichen“. Doch sie hat nicht einmal Kenntnis von bereits bestehenden Modellprojekten (Antworten/Fragen 20-22). Dabei gab und gibt es Projekte, die versuchen, die Lücken zu schließen – beispielsweise DiaLOG-IN in Berlin oder WeitWinkel in Münster. Wie so oft muss auch hier die Zivilgesellschaft Aufgaben übernehmen, die eigentlich der Bundesregierung obliegen.
Ebenso gering sind die Kenntnisse der Bundesregierung von Studien und wissenschaftlichen Erkenntnissen in diesem Bereich. Sie verweist lediglich auf die IAB-BAMF-SOEP Studie – dabei gibt es viel mehr (siehe Hintergrund). Deutlicher kann man Desinteresse kaum zeigen.
Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Integrationskurse für Menschen mit Behinderungen“, Bundestags-Drucksache 19/27553, 12.03.2021 finden Sie hier.