Der Schweizerische Gehörlosenbund freut sich, dass der Nationalrat am Mittwoch, 1. Juni 2022 die Motion 22.3373 „Anerkennung der Gebärdensprache durch ein Gebärdensprachengesetz“ mit 134 Ja-Stimmen zu 32 Nein-Stimmen (und 13 Enthaltungen) angenommen hat. Mit diesem Votum haben die Nationalrätinnen und Nationalräte die besondere Situation tauber Menschen mit ihrer eigenen Sprache und Kultur anerkannt sowie die Notwendigkeit konkreter Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierungen zu ergreifen.
Die Motion 22.3373 beauftragt den Bundesrat, ein Gesetz zur rechtlichen Anerkennung der Schweizer Gebärdensprachen und zur Gleichstellung von gehörlosen und hörbehinderten Menschen auszuarbeiten. Mit der Annahme der Motion hat der Nationalrat einen großen Schritt in Richtung Inklusion von gehörlosen Menschen gemacht.
Denn trotz der aktuellen Gesetze sind gehörlose Menschen in der Schweiz heute noch von zahlreichen gesellschaftlichen Bereichen ausgeschlossen. Für den Schweizerischen Gehörlosenbund ist klar: Die rechtliche Anerkennung der Gebärdensprachen ist eine unabdingbare Voraussetzung, um die Situation der gehörlosen Menschen in der Schweiz zu verbessern sowie ihre Rechte und einen gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt, zum Gesundheitssystem, zur Kultur oder zu den Bildungsangeboten zu gewährleisten. Dieser Zugang muss gehörlosen Menschen vom Bund sowie den Kantonen und Gemeinden im Rahmen ihrer Kompetenzen garantiert werden, wie es das Diskriminierungsverbot der Bundesverfassung verlangt.
Der Schweizerische Gehörlosenbund setzt sich seit Jahren für die Gleichstellung von gehörlosen Menschen und die Anerkennung der Gebärdensprachen ein. Am 1. Juni war er mit einer Delegation von gehörlosen Menschen im Bundeshaus präsent, um die Nationalratsdebatte live vor Ort zu verfolgen. Dies war dank der außerordentlichen Präsenz von Gebärdensprachendolmetscherinnen auf der Pressetribüne möglich. Die Übersetzung in Gebärdensprache wurde auch von den Nationalrätinnen und Nationalräten wahrgenommen und zeigte ihnen nochmals auf, wie wichtig die Motion 22.3373 für die Inklusion von tauben Menschen in der Schweiz ist.
Nach der erfolgreichen Abstimmung in Nationalrat geht die Motion nun in den Ständerat. Die Präsidentin des Schweizerischen Gehörlosenbundes, Tatjana Binggeli, äußert sich dazu wie folgt: „Wir hoffen, dass auch die Ständerätinnen und Ständeräte dem Vorstoss zustimmen werden, damit die Schweiz nicht nur bald die Schweizer Gebärdensprachen anerkennt, sondern vor allem konkrete Massnahmen ergreift, um die Inklusion von gehörlosen Menschen zu fördern. Denn mit der derzeitigen Gesetzgebung werden gehörlose und hörbehinderte Menschen immer noch diskriminiert.“
Das Ergebnis der Abstimmung im Nationalrat zeigt, dass der vom Bundesrat vorgeschlagene Weg ausreicht. Der Schweizerische Gehörlosenbund kann sich nicht mit einer symbolischen Anerkennung der Gebärdensprachen begnügen und setzt sich für konkrete Massnahmen zur Förderung der Gebärdensprachen sowie der Gleichstellung von gehörlosen und hörbehinderten Menschen ein. Der Nationalrat hat diese Notwendigkeit erkannt. Nun liegt es am Ständerat, die Gelegenheit zu ergreifen und die Situation der gehörlosen Menschen in der Schweiz nachhaltig zu verbessern.