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In Österreich leben rund 450.000 Menschen, die von einer Höreinschränkung betroffen sind. Davon sind etwa 8.000 bis 10.000 Personen gehörlos. Der Internationale Tag der Gebärdensprache hat letzten Freitag, 23. September, weltweit auf die Situation von Gehörlosen aufmerksam gemacht. Doch wer nutzt die Gebärdensprache eigentlich und wie funktioniert sie? Die BezirksRundSchau hat nachgefragt.
LINZ. Vergangenen Freitag, 23. September, fand der Internationale Tag der Gebärdensprache statt. Der Aktionstag wurde 1951 vom Weltverband der Gehörlosen ins Leben gerufen. In Österreich sensibilisiert er für die Situation der bundesweit 450.000 Menschen mit Höreinschränkung. Pamela Gebetsberger-Novotny hat der BezirksRundSchau Fragen zur Gebärdensprache beantwortet. Sie arbeitet am Institut für Sinnes- und Sprachneurologie bei den Barmherzigen Brüdern Linz und lebt mit ihrem gehörlosen Mann, ihren zwei hörenden Töchtern und ihrem Signalhund Bobbie in Leonding.
Wie funktioniert die österreichische Gebärdensprache?
Die Gebärdensprache ist natürlich entstanden und hat eine eigene Grammatik. Man kann alles ausdrücken, was man sagen möchte. Man kann jedes Thema besprechen, egal was – auch in Fachbereichen, wie der Medizin. Die Sprache ist im Gegensatz zu Lautsprachen visuell orientiert. Sie besteht nicht nur aus den Händen: Auch die Mundgestik, das Mundbild und die Mimik gehören dazu. Es können sich beispielsweise die Bedeutungen einer Gebärde nur durch das Mundbild unterscheiden.
Stellen Gebärdensprachen gesprochene bzw. geschriebene Wörter dar?
Für viele Wörter gibt es eigenen Gebärden, aber es kommt durchaus vor, dass wir etwas ganz anders ausdrücken. Dann muss man es anpassen oder umschreiben. Übersetzungsprobleme gibt es wie zwischen anderen (Laut-)Sprachen auch, weil Sprache auch viel mit Kultur zu tun hat.
Nutzen nur gehörlose oder schwerhörige Personen die Gebärdensprache?
Nein, Nutzerinnen und Nutzer sind auch hörende Menschen, die gehörlose Eltern oder Familienmitglieder haben oder Menschen, die beruflich mit gehörlosen oder schwerhörigen Menschen zu tun haben. Auch immer mehr Personen mit einem Cochlea Implantat, einer implantierten Hörhilfe, stellen fest, dass die Gebärdensprache ein Vorteil für sie ist und sie sich weniger anstrengen müssen als beim Zuhören. Überhaupt hat die Gebärdensprache viele Vorteile, die eben auch hörende Nutzerinnen und Nutzer zu schätzen wissen. Ein Beispiel: Das Gebärden über weite Distanzen oder durch Fensterscheiben.
Gibt es eine internationale Form der Gebärdensprache oder eine Art Lingua Franca?
Jedes Land hat eine eigene Gebärdensprache. Hörende Menschen denken oft, dass diese Sprache international ist, aber es gibt Landessprachen wie in der Lautsprache auch. Die österreichische Gebärdensprache unterscheidet sich beispielsweise von der deutschen Gebärdensprache in Deutschland. Wir gehörlosen Menschen tun uns aber schon leichter, mit Gehörlosen aus anderen Ländern zu plaudern, auch wenn wir nicht dieselbe Gebärdensprache benützen. Durch den Ukraine-Krieg wurden viele gehörlose Menschen vertrieben und sind in Österreich gelandet. Unsere Sprachen unterscheiden sich sehr stark und die Kommunikation ist schwierig. Jetzt lernen sie hier zwei Sprachen: Die österreichische Gebärdensprache und die deutsche Schriftsprache.
Lassen sich die verschiedenen Gebärdensprachen unterschiedliche Sprachfamilien zuordnen?
Ja, abhängig davon, wo sie entstanden sind. Zum Beispiel haben die Länder der ehemaligen Sowjetunion Gebärdensprachen, die sich aus der russischen Gebärdensprache ableiten.
Umfasst die Gebärdensprache auch Dialekte?
Natürlich gibt es unterschiedliche Dialekte in der Gebärdensprache! Die Sprache verändert sich auch: In der Gebärdensprache gibt es Gebärden aus der älteren Generation und Gebärden, die Jugendliche verwenden.
Wie lange dauert es, die Gebärdensprache zu erlernen?
Es hängt vor allem davon ab, ob man offen ist und schnell lernt und sich schnell von einer auditiven Sprache loslösen und sich auf die visuelle Gebärdensprache einlassen kann. Am Anfang brennen meistens schnell die Augen vom Schauen und die Finger tun weh, weil Lernende sich erst an diese Bewegungen gewöhnen müssen. Wer viel Kontakt zur Gebärdensprachgemeinschaft hat, lernt auch schneller. Der Kontakt ist wichtig, wie in jeder Sprache. Die Dolmetschausbildung in Linz dauert drei Jahre. Aber für Smalltalk und die Kommunikation im Alltag genügen Gebärdensprachkurse und ein bisschen Übung!
Vor welchen Herausforderungen stehen gehörlose Personen in der Kommunikation mit anderen?
Es gibt viele Kommunikationsprobleme. Ein Beispiel: Wenn ich ins Lebensmittelgeschäft gehe und eine Leberkässemmel bestellen möchte, mache ich es immer so: Zuerst probiere ich es mit meiner gebrochenen Stimme. Dabei fällt mir oft auf, dass das Gegenüber sehr nervös und unsicher wird. Dann schauen andere Menschen her und ich fühle mich unwohl, ob ich wirklich richtig verstanden wurde. Meistens nutze ich dann die Handynotizen, um etwas aufzuschreiben.
Für Arbeitstermine, wie Besprechungen oder Schulungen, und für Termine beim Arzt oder der Bank bestelle ich Dolmetscherinnen oder Dolmetscher. Leider gibt es in Oberösterreich derzeit zu wenige, um alle Termine abdecken zu können. Barrierefrei sind auch Medien nicht immer. Es fehlt noch an Untertiteln und Dolmetscheinblendungen. Auch sind wir immer noch nicht voll gleichgestellt in dem, was wir machen können. Bezahlt werden Dolmetscherinnen und Dolmetscher nur für eine einzige Ausbildung. Wenn man eine zweite Ausbildung machen möchte, wird die Kostenübernahme abgelehnt. Es gibt also besonders im Bildungsbereich noch viel zu tun! Im Alltag wünsche ich mir, dass die Österreicherinnen und Österreicher etwas mutiger werden, Körpersprache zu verwenden. In Italien kommunizieren wir viel leichter, weil sie mehr Körpersprache verwenden. Nur Mut bei der Kommunikation mit gehörlosen Menschen! Das baut viele Barrieren ab!
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Gebärdensprache: "Mehr Mut zur Körpersprache, das baut Barrieren … – meinbezirk.at
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