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Stefan Goldschmidt: Ein Hamburger Urgestein der Gebärdensprachlehre zieht in den Süden

Gesellschaft
3.012

Zeit für einen Tapetenwechsel: Der Lektor und Dozent Stefan Goldschmidt verlässt das Institut für Deutsche Gebärdensprache in Hamburg zum 30. September 2023 und zieht ans andere Ende von Deutschland: In München beginnt er am 1. Oktober offiziell seinen neuen Lebensabschnitt. Wir haben ihn aus diesem Anlass interviewt. Lest hier, was dem Sprachlehrer, Soziologe und Gründervater der Deutschen Gehörlosen-Jugend zu seinem Abschied durch den Kopf geht!

Hallo Stefan – schön, dass du Zeit hast für dieses Interview! Ich lege gleich mal los: Seit wann hast du am IDGS gearbeitet?

Offiziell hatte ich schon 1994 den ersten Vertrag als studentische Hilfskraft am IDGS bekommen. Doch eigentlich ging es früher los: 1993 habe ich wegen der Bedingungen von der Gallaudet Universität mein zweiwöchiges Praktikum am IDGS absolviert. Hier habe ich die ASL-Videos aus dem Gebärdenkursbuch „Signing Naturally“ in DGS übersetzt, was dann als die Grundlage für die DGS-Grundkursbuch I und II diente. Da wurde Professor Prillwitz bereits auf mich aufmerksam. Als ich meinen Abschluss von Gallaudet dann 1994 in der Tasche hatte, wurde ich direkt vom IDGS unter Vertrag genommen!

Welche Funktionen hattest Du inne?

Mein Schwerpunkt am IDGS war die DGS-Sprachlehre in allen Levels (von A1 bis B2) und Deaf Studies (Soziologie) für die Studiengänge Gebärdensprachen und Dolmetschen in Gebärdensprachen. Natürlich durfte ich auch bei verschiedenen Projekten mitmachen, z.B. taubwissen, GERS und anderen. Während meiner Zeit am IDGS habe ich auch sehr viele Videos und Materialien für DGS-Lehre und Deaf Studies produziert.

Was ist der Grund für deinen Weggang?

Da ich, wenn man ab meinem Praktikum 1993 zählt,  schon seit 30 Jahren am IDGS arbeite, kenne ich meine Arbeitsinhalte schon in- und auswendig. Ich weiß sofort, welcher Stoff dran kommt, ich unterrichte die Studierenden, ich korrigiere ihre Fehler, es ist mir alles so gut bekannt und vertraut, es ändert sich nichts. Bei der Vorstellung, noch 10 weitere Jahre bis zu meinem Renteneintritt diese gleichen Abläufe zu machen, habe ich direkt Lust auf einen Tapetenwechsel und neue Herausforderungen bekommen.

Als ich vor einem Jahr im September erfahren habe, dass die Ludwig-Maximilians-Universität eine neue Professorin für Lehrstuhl für das Lehramt im Bereich der Gehörlosenpädagogik bekommt, die sich mehr für DGS einsetzt, da wurde ich hellwach und habe mit ihr Kontakt aufgenommen. Bis dahin war die LMU sehr vom Oralismus geprägt! Durch das Gespräch mit ihr wurde mein Interesse geweckt, dass ich auch mal gern im Bereich für das Schulwesen für taube und schwerhörige Kinder arbeiten möchte. Da habe ich diese Chance einfach ergriffen.

Dazu ist es München, wo die Berge nicht weit sind, denn ich liebe neben den Meeren auch die Berge, weil Natur für mich auch eine schöne Abwechslung für das Leben ist.

Was ist deine größte Herausforderung am IDGS gewesen?

Eine große Herausforderung war es, mit Professor Dr. Christian Rathmann das 25-jährige Jubiläum des IDGS als eine sehr große Veranstaltung mit Einladungen und Abendprogramm organisieren zu können. Uns ist es sehr gut gelungen, diese sehr große Veranstaltung, diese Würdigung des Instituts, erfolgreich durchzuführen. Wir waren sehr froh, dass es gut geklappt hat. 😉

Eine zusätzliche Herausforderung war es auch die intensive Bearbeitungen mit den GERS (Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen), wobei wir die inhaltlichen Bearbeitungen mit deutschen und europäischen Beteiligungen geschafft haben. Das ist der erste Schritt für die Standardisierung der Gebärdensprachlehre und die Bemessungen der Kompetenz für L2-Lerner*innen.

Drittens war es für mich eine lange, aber sehr schöne Arbeit gewesen, wobei wir die Informationsplattform „Taubwissen“, ein Portal rund um Sprache, Kultur, Leben und Geschichte tauber Menschen und der Gebärdensprachgemeinschaften für die Öffentlichkeit gestellt haben.

Welcher war dein schönster Moment in Hamburg?

Sehr viele, z.B. mein Familienleben mit meinen zwei Kindern und unserem Hund Barry; das Vereinsleben mit den Wasserballern, wobei wir auch Deutscher Meister werden durften, die Treffen mit tauben Freunden und der HSV, 😉

Was machst du als erstes, wenn du in Hamburg zu Besuch bist?

Klar, meine Familie und Freunden treffen und leckere Fischgerichte essen, 😉

Welche Verbindung hast du zu München, deiner neuen Heimat?

Zum einen ist meine Frau dort geboren und aufgewachsen und zum anderen bin ich dort auch wegen bundesweiter Jugendarbeit (Jugendcamp, Kindercamp und DGJ) öfter aktiv gewesen. Ich habe ich also viele Verbindungen mit Münchnerinnen und Münchnern 😉

Da ich gern Wandern und Skifahren mag, kommen mir die Bergen rund um München natürlich auch gut gelegen. 😉 

Was ist aus deinem Autobiografie-Projekt geworden, das du 2019 angekündigt hattest?

Da bei mir in der letzten Zeit viel los war – die Corona-Pandemie darf man auch nicht vergessen – , mache ich im Moment bei meinem Autobiografie-Projekt eine schöpferische Pause. Wenn ich wieder Zeit und Kraft habe, dann werde ich mich gern weiter mit meinem Autobiografie-Projekt beschäftigen 😉

Danke, Stefan! Viel Erfolg bei deiner neuen Stelle und deinem neuen Lebensabschnitt!

Autor: Wille Felix Zante
Foto: Privat

Tags: IDGS, München, Stefan Goldschmidt, Universität Hamburg

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