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Irlands erste taube Anwältin

Inklusion
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Sofiya Kalinova ist die erste taube Person, die in Irland als Anwältin zugelassen wurde. Noch bemerkenswerter ist, dass sie die erste Person sein wird, die in Irland die Anwaltschaft in Gebärdensprache ausüben wird. Sofiya kommt ursprünglich aus Plovdiv, Bulgarien. Neben ihr ist auch ihr Zwillingsbruder taub, ebenso wie beide Großeltern mütterlicherseits. Aufgrund begrenzter Angebote für taube Menschen in Bulgarien entschied sich ihre Familie, beide Kinder auf Regelschulen zu schicken. Obwohl Sofiya ein Cochlea-Implantat hatte, fand sie es nur wenig hilfreich und hatte Schwierigkeiten beim Lippenlesen aufgrund von Variationen durch Akzente und Lippenformen.

Mit 21 Jahren kam sie nach Irland, um Jura und Politikwissenschaften an der UCD zu studieren. Aufgrund ihres juristischen Hintergrundwissens, hatte sie bereits ausgeprägte Kenntnisse über ihre eigenen Rechte und die Fähigkeit, Gesetze zu interpretieren. In Irland spielte sie eine entscheidende Rolle bei der Sicherstellung gleichberechtigter Angebote für die gehörlose Gemeinschaft, indem sie zwei Rechtsstreite führte, die sie beide gewann.

Bevor sie sich entschied, diese Fälle zu verfolgen, führte sie umfangreiche Recherchen durch, basierend auf ihren eigenen Diskriminierungserfahrungen.

Einer der Fälle betraf die Permanent TSB Bank, die ihr die Nutzung einer Gebärdensprachverdolmetschung für einen Telefonanruf verweigert hatte, um ihr Passwort für das Online-Banking zu ändern. Im Juli 2022 entschied die Workplace Relations Commission (WRC) zu ihren Gunsten und stellte fest, dass die Bank Sofiya diskriminiert hatte. Sie erhielt 8.500 €. Dies war das erste Mal in Irland, dass die Verweigerung der Kommunikation durch eine Verdolmetschung für eine taube Person als rechtswidrig anerkannt wurde.

Im folgenden Jahr reichte Sofiya eine weitere Diskriminierungsklage ein, die sie ebenfalls gewann. Nach der Anmeldung zu einem Kurs am Griffith College, der Studierenden auf die Eingangsprüfungen am King’s Inns vorbereiten soll, wurde ihr mitgeteilt, dass sie Dolmetscher*innen selbst bezahlen müsse und es wurde ihr auch keine Verhandlung über mögliche alternative Regelungen angeboten. Ihr Anwaltsteam, welche die Irish Human Rights and Equality Commission vertraten, argumentierten, dass dies vergleichbar sei, wie eine rollstuhlfahrende Person zu bitten, ihre eigene Rampe zu bauen. Sofiya erhielt 3.000 €, und das College wurde angewiesen, seine Richtlinien zur Sicherstellung der Einhaltung der Gleichstellungsgesetze zu überprüfen.

Sofiya, Absolventin der UCD in Dublin und des King’s Inns, wurde von Chief Justice Donal O’Donnell erst in diesem Monat zur Anwaltschaft berufen. In einem freudigen Tweet teilte sie mit: „Ich bin stolz darauf, mitteilen zu können, dass ich die Ehre hatte, von Chief Justice of Ireland Donal O’Donnell zur Anwaltschaft von Irland berufen zu werden.“ Sofiya fügte hinzu, dass sie die erste taube Person in Irland sei, die diesen Meilenstein erreicht habe und als erste in ihrem Arbeitsbereich die Irische Gebärdensprache nutzen werde.

Es wurde erheblicher Aufwand betrieben, um zu planen, wie Sofiya im Gerichtssaal arbeiten wird, einschließlich der Verhandlung darüber, wo die Gebärdensprachdolmetschenden stehen werden. Sie erkennt die anfängliche Herausforderung insbesondere aufgrund des hartnäckigen Mangels an Dolmetschenden an. Denn die wenigen Dolmetschenden müssen die Bedürfnisse von etwa 5.000 tauben Personen in Irland abdecken. Mit nur etwa 90 hörenden und 24 tauben Dolmetschenden ist dies ein großes Problem. Es werden wohl noch einige Anpassungen vorzunehmen sein, aber Sofiya  und die Justizbehörden sind sich bewusst, dass dies ein fortlaufender Lernprozess für alle sein wird.

Letzte Woche hatte Sofiya Kalinova ihren ersten Auftritt vor einem irischen Gericht als frischgebackene Anwältin. Der Fall wurde schließlich jedoch vertagt, was bedeutet, dass die Verhandlungen vorübergehend bis zu einem anderen Datum ausgesetzt wurden, sodass ihr erster Auftritt vor einem Richter nur von kurzer Dauer war. Dennoch ist die Bedeutung ihres kurzen Auftritts vor einem Richter im irischen Rechtssystem groß – sie ist die erste taube Person, die zur Anwaltschaft berufen wurde.

Geschrieben von Klaudia Juskova

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1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort

  • Ortwin-Michael Versümer
    7. Januar 2024 11:45

    Halo alle miteinander!
    Sehr gut!
    Ich gratuliere!
    Jetzt gibt es auf der Welt zwei Anwältinnen mit ihrer persönlichen Situation.

    Ich bitte darum, dass der Gehörlosen Bund Deutschland, für uns hier in Deutschland Lebenden Menschen-die-nichts-hören, Anwälte/-Richter-die-nichts-hören aufbaut.
    Für jedes Bundesland und jede große Stadt.
    Alles Gute!
    Ortwin-Michael Versümer

    Antworten

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