Vom 31. Mai bis zum 1. Juni fand an der Universität Tallinn das erste Symposium der Tauben Dolmetschenden und Übersetzenden statt, organisiert vom Estonian Sign Language Research Lab in Zusammenarbeit mit der World Association of Sign Language Interpreters (WASLI).
Wie kam es zur Idee der Konferenz? Wer war für die Organisation verantwortlich?
Péter Zalán Romanek (39), der als Koordinator vom Research Lab arbeitet und für die Organisation mitverantwortlich war, erklärte, dass „der wichtigste Impuls für diese Veranstaltung das in den letzten Jahrzehnten allgemein wachsende Bedürfnis unter tauben Dolmetschenden und Übersetzenden war, eine Plattform für den Diskurs zu schaffen“.
Die Notwendigkeit, einen Raum für Austausch und Zusammenarbeit zu schaffen, wurde durch die Unterstützung und das Engagement von WASLI und efsli/efsliDI in verschiedenen Kapazitäten gefördert. Die Vernetzung innerhalb einer WhatsApp-Gruppe von tauben Übersetzenden und Dolmetschenden in Europa spielte dabei eine zentrale Rolle. Romanek betonte: „Mitglieder des Estonian Sign Language Research Lab der Universität Tallinn ergriffen die Initiative, eine Plattform für Dialog und Austausch zu schaffen.“
Die Resonanz auf das Symposium war beeindruckend. „Mehr als 60 taube Dolmetschende und Übersetzende aus 22 Ländern nahmen an der Veranstaltung teil,“ berichtete Romanek. Dies unterstreicht die wachsende Bedeutung und Anerkennung der Profession tauber Dolmetschenden und Übersetzenden in ganz Europa. Romanek freute sich, dass Teilnehmende aus „buchstäblich jeder Ecke Europas“ kamen. Dies verdeutlicht die Vielfalt und die einzigartigen Herausforderungen und Fortschritte, die in den verschiedenen Ländern gemacht wurden.
Unter den Teilnehmenden war auch Mona Riis (45) aus Schweden. Sie arbeitet alltäglich als taube Dolmetscherin und Geschäftsführerin der Firma Teckenbro, die für gebärdensprachliche Übersetzungen und Medienproduktionen zuständig ist. Ähnlich wie manua GmbH in Deutschland bietet Teckenbro vielfältige Dienstleistungen an. Mona Riis reflektierte ihre Teilnahme: „Es war interessant, Leute zu treffen und in Austausch zu kommen mit tauben Dolmetschenden und Übersetzenden. Das habe ich bisher noch nicht erlebt, so vielen zu begegnen und zu netzwerken. Es war schön. Ich komme aus Schweden und bin überrascht über die großen Schwierigkeiten und das fehlende Berufspotenzial in anderen Ländern, an Aufträge zu kommen.“
Sie führte weiter aus: „In Schweden, speziell in der Stadt Örebro, habe ich in meinem Berufsalltag sehr diverse Arbeitseinsätze: Krankenhaus, Geburtsbegleitung, Todesbegleitung und auch normale Themen wie Autokauf und Führerscheinprüfung. Ich kann überall als taube Dolmetscherin arbeiten und mache das auch jeden Tag. Da können wir taube und hörende Dolmetschende gut zusammenarbeiten. Ich sehe, dass taube Dolmetschende in anderen Ländern nur sehr beschränkte Einsatzmöglichkeiten haben. Sie werden nur bei Vorträgen und im Fernsehbereich eingesetzt, mehr nicht. Ich bin bezüglich Arbeitsmöglichkeiten den hörenden Kolleginnen komplett gleichgestellt. Das war interessant so zu erfahren. In Tallinn beim Symposium konnte ich Tipps zur besseren beruflichen Entwicklung geben. Der Austausch auf europäischer Ebene ist ein Gewinn für alle. Da möchte ich auch etwas beitragen und unterstützen und konnte auch etwas dazulernen und mitnehmen, da ich nach dem Sommer einen Lehrauftrag für eine Ausbildungsgruppe mit werdenden tauben Dolmetschenden haben werde.“
Im Rahmen des Symposiums wurde die sogenannte Tallinn-Deklaration verabschiedet. Diese Deklaration unterstreicht die Notwendigkeit, die aktuellen professionellen Standards im Bereich des Gebärdensprachdolmetschens und -übersetzens zu definieren, zu überprüfen und zu überarbeiten. Die Deklaration betonte die Wichtigkeit von Ausbildungsmöglichkeiten für zukünftige Dolmetschende und Übersetzende, die Sicherstellung von Chancengleichheit bei der Beschäftigung und die Etablierung transparenter Zertifizierungs- und Registrierungsverfahren.
Darüber hinaus wurde die Bedeutung der Repräsentation tauber Dolmetschende und Übersetzende in Berufsverbänden der Gebärdensprachdolmetscher hervorgehoben. Es besteht auch ein großes Interesse an der Forschung im Bereich von tauben Dolmetschenden und Übersetzenden, um die Qualität und Professionalität weiter zu steigern. Themen wie die Arbeit mit sprachlich und kulturell diversen tauben Gemeinschaften und gute Praxisbeispiele in verschiedenen Dolmetschsituationen wurden ebenfalls angesprochen. Mona Riis äußerte dazu: „Deklarationen sind allgemein oft stark und werden gefeiert. Was kommt dann? Meine Hoffnung ist, dass hörende Dolmetschende und auch Dolmetschverbände die Erklärung wahrnehmen und sehen, dass taube Dolmetschende da sind. Wir entwickeln uns weiter und können nicht ignoriert werden. Viele Punkte wurden bei uns in Schweden schon erreicht, bis auf einen Punkt: den Forschungsbereich. Das finde ich sehr wichtig und interessant und hoffe, dass wir in diesem Bereich viel erreichen. Durch Forschung haben Ausbildungen und Trainings dann eine bessere Qualität, was sich insgesamt positiv auf die Dolmetschqualität auswirkt. Ich hoffe, dass die Deklaration wie üblich nicht so schnell in Vergessenheit gerät.“
Welche weiteren Schritte sind geplant?
Romanek betonte die Notwendigkeit eines offenen Dialogs zwischen tauben und hörenden Dolmetschenden. „Ein offener Dialog mit tauben und hörenden Kolleg*innen muss fortgeführt und ausgeweitet werden, mit dem übergeordneten Ziel, qualitativ hochwertige Dolmetsch- und Übersetzungsdienste bereitzustellen“, erklärte er.
Aufgrund des großen Erfolgs des Symposiums wird das nächste europäische Symposium der tauben Dolmetschenden und Übersetzenden im Jahr 2025 in Bulgarien stattfinden. Zusätzlich dazu blicken viele gespannt auf das kommende efsliDI/efsli-Event im September 2024 in Turin, Italien.