Überraschung auf der Bundesdelegiertenkonferenz der Partei Bündnis 90/Die Grünen, welche mit Wirtschaftsminister Robert Habeck als Kanzlerkandidat antritt! Am 26. Januar 2025 wurde hier die endgültige Fassung des Wahlprogramms der Partei beschlossen. Ein Antrag dürfte für die Gebärdensprachgemeinschaft von besonderer Bedeutung sein:
Verschiedene Personen hatten sich dafür stark gemacht, die Anerkennung der Deutschen Gebärdensprache (DGS) als Minderheitensprache ins Wahlprogramm aufzunehmen. Der Wortlaut:
„Wir wollen die Deutsche Gebärdensprache besser verankern, weiter fördern und damit auch ihre Nutzer*innen stärken. Wir wollen sie als nationale Minderheitensprache anerkennen und prüfen Wege zur Umsetzung. Wir setzen uns für die Einrichtung eines Kompetenzzentrums zur barrierefreien Kommunikation ein. Wir stärken die Disability Studies.“ (Wahlprogramm Bündnis 90/DIE GRÜNEN)
Dem Antrag wurde zugestimmt. Damit wäre nach der Anerkennung im Sozialrecht, wie es 2002 bereits geschehen war, der Weg frei für eine Anerkennung auf kultureller Ebene. Das bedeutet potenziell mehr Förderung für die Kultur und nicht nur eine reine Fixierung auf die „Fehlerbehebung“ mittels Dolmetscher*innen.
Voraussetzung dafür ist natürlich erstmal, dass die Grünen nach der Wahl erneut an einer Regierung beteiligt sind. Mit der CDU hätten sie dafür gute Karten, denn diese hat auf Initiative ihres Mitglieds und Aktionskünstlers Steffen Helbing ebenfalls eine Förderung der DGS in ihr Wahlprogramm aufgenommen, allerdings deutlich offener formuliert:
„Wir fördern Gebärdensprache als Minderheitensprache. Wir sorgen für individuelle Bildungsmöglichkeiten für Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen und sehen neben Inklusionsangeboten auch Förderschulen als Bestandteil der Bildungswelt.“ (Wahlprogramm CDU/CSU)
Bei dem Grünen-Antrag fällt zudem eine Vermischung von Sprach- und Behindertenrechten auf. Wo die Anerkennung als Minderheitensprache ein klares Bekenntnis zur Gebärdensprache als kulturelles Erbe der Gehörlosengemeinschaften beinhaltet, lenkt das Kompetenzzentrum wieder den Fokus auf den Behinderungsaspekt der Gehörlosigkeit. An und für sich nicht schlecht und auch nicht überraschend, zumal endlich die Vermischung von Leichter Sprache und Gebärdensprache wieder aufgehoben und der Blick auf Barrierefreiheit als solche gelenkt wird. Auch die Stärkung der Disability Studies ist ein Win für alle. Also unterm Strich: Seltsam, aber gut!
Spannend wird dann jedoch die Umsetzung: Denkt man hierbei auch daran, entsprechende Positionen mit qualifizierten Betroffenen zu besetzen und nicht mit hörenden und nichtbehinderten Menschen? Die Zeit wird es zeigen, genauer gesagt, die Koalitionsverhandlungen nach dem 23. Februar 2025, an dem der neue Bundestag gewählt wird.
Foto: Nils Leon Brauer