Machen wir uns nichts vor: Dolmetschen ist ein Pflegeberuf. Wie Pflegepersonal fahren Dolmetscher*innen oft mit einem eigenen Auto kreuz und quer durch die Gegend und ihre Kundschaft ist in unterschiedlicher Ausprägung auf Unterstützung bei sehr alltäglichen Sachen angewiesen. Außerdem ist die Bezahlung, gemessen an der riesigen Verantwortung – oft für Leib und Leben – viel zu niedrig. Okay, über den letzten Punkt kann man beim Dolmetschen streiten. In der Pflege nicht: Hier wird definitiv zu wenig gezahlt.
Abgesehen davon ist es also ziemlich valide, Dolmetschen zur Pflege zu zählen, es ist ja schließlich auch ein sehr sozialer, um es in DGS zu sagen, SEITE WARM-Beruf. Das passt ganz gut. Der Gesetzgeber sieht es ähnlich: Wie andere Berufe der Pflege können sich Dolmetscher*innen von der Umsatzsteuer befreien lassen. Sehen statt Hören hat zu dem Thema ausführlich berichtet.
Die Definition des Pflegeberufs ist dem Portal DocCheck zufolge “Medizinberufe, die sich mit der Versorgung und Betreuung kranker, behinderter, alter und sterbender Menschen beschäftigen”. Insofern ist es nicht so verkehrt, abgesehen davon, dass Dolmetschen kein Medizinberuf per se ist: Gehörlosigkeit ist sozialrechtlich gesehen ganz eindeutig eine Behinderung und Kommunikation ein Grundbedürfnis, das über das Dolmetschen befriedigt wird.
So ist es auf individueller Ebene auch relativ einfach, Unterstützung zu bekommen, nahezu reibungslos läuft die Finanzierung bei Arztbesuchen ab, auch Behördengänge sind in ihrer Bezahlung einfach. Aber das Dolmetschen wird eben auch als Lösung und als Ende des Inklusionswegs verstanden. Sobald die Dolmetschversorgung sichergestellt ist, ist der Inklusionsauftrag erfüllt. Es ist aber, um in derim Medizinmetapher zu bleiben, keine Heilung: Gehörlosigkeit – oder eher Gebärdensprachlosigkeit – wird behandelt, therapiert, aber nicht geheilt. Es bleibt alles so wie es ist, Dolmetschen ist immer wieder gefragt, Gehörlosigkeit eine nachwachsende Ressource für das Berufsfeld. Die Inklusion dreht sich hier im Kreis.
Das ist der Nachteil des Behinderungsbegriffs (der aber auch aus ganz anderen Gründen von einem Teil der Community abgelehnt wird – ob zu Recht oder Unrecht, wäre noch einen weiteren Text wert): Gehörlosigkeit wird als l…
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Der Begriff „behindert/Behinderung“ sollte vielmehr die soziale Benachteiligung betreffen, nicht bloss die körperliche Abweichung der „Normalität“ des Menschen. Taubheit und das folgende Taubsein ist eine echter Zustand als Beitrag zur Vielfalt des Menschseins angesehen werden.